Initiativen zur Grundmusikalisierung von Kindern in Kindertagesstätten (vereinzelt) und Grundschulen (verstärkt) schießen seit ein paar Jahren wie Pilze aus dem Boden. Es scheint, als wollten sich die Bundesländer gegenseitig überbieten mit immer neuen Projekten. Ein sehr zu begrüßendes Engagement, das es vielen Kindern ermöglicht und noch ermöglichen wird, die eigene Stimme zu nutzen, ein Instrument zu erlernen, grundlegende Erfahrungen mit Musik zu machen. Unumstritten sind die Modelle alle nicht, und mancherorts scheint es, als sei es die wohl typisch deutsche Bedenkenträgerei, die die wenn auch nicht perfekten, so doch sehr sinnvollen und unterstützenswerten Initiativen torpediert. Den Auftakt zur neuen Reihe macht Jedem Kind ein Instrument (JeKi).
Jedem Kind ein Instrument (JeKi) ist ursprünglich eine Initiative im Ruhrgebiet. Sie will Instrumente an die Grundschüler bringen. Jedes Kind in den Klassen eins bis vier soll ein Instrument erlernen, das es sich selbst ausgesucht hat. Da längst nicht alle Kinder eine konkrete Vorstellung ihres Lieblingsinstrumentes haben, gibt es im ersten Schuljahr eine spielerische Einführung in die Musik. Musikschul- und Grundschullehrkräfte gestalten den Unterricht gemeinsam – als Tandem -, sodass die Erstklässler eine Vielzahl an Instrumenten kennenlernen. Die Auswahl ist groß: Insgesamt 16 Musikinstrumente und eine variable Auswahl an Instrumenten aus anderen Ländern der Welt werden vorgestellt.
Großer Bedarf an Lehrern
So kann von Akkordeon über Klarinette bis Bouzouki, Geige, Schlagwerk oder Trompete so gut wie alles erlernt werden, was das musikalische Kinderherz begehrt. Um zu vermeiden, dass in einer Grundschulklasse mit zum Beispiel 28 Kindern 16 Instrumente erlernt werden möchte, gibt jedes Kind nach Ende des Einführungsunterrichtes drei Instrumente an, die es interessieren. Nach dieser Auswahl werden ab dem zweiten Schuljahr Kleingruppen von maximal fünf Schülern zusammengestellt. Den Unterricht geben Lehrkräfte der örtlichen Musikschule, die für das JeKi-Projekt extra in die Grundschulen kommen. Von der dritten Klasse an kommt zum Instrumentalunterricht das Zusammenspiel im Schulorchester hinzu. Jahrgangsübergreifend üben die kleinen Schülerinnen und Schüler einmal wöchentlich das Zusammenspiel als Orchester „Kunterbunt“. Am Ende eines jeden Schuljahres steht ein großes Abschlusskonzert.
Die Musikinstrumente selbst sind kostenlose Leihgaben, sodass kein Kind sein gewünschtes Instrument extra anschaffen muss. Ganz ohne Kosten für Kinder und Eltern ist dieses ehrgeizige Projekt allerdings nicht zu bewältigen: Während im Einführungsjahr keine Gebühren anfallen, liegt der Unterrichtsbeitrag in der zweiten Klasse bei 20 Euro, im dritten und vierten Jahr sind es 35 Euro pro Monat.
Aber so schön das Bild flächendeckend emsig musizierender Kinder in der Theorie auch sein mag: In der Praxis kommt so mancher Stolperstein dazu. JeKi ist teuer, und Jeki ist schwer zu organisieren. Es mangelt an qualifizierten Lehrkräften, in manchen Landstrichen ist der Markt leergefegt. Und da, wo genügend ausgebildetet Musiklehrer vorhanden sind, klappt die Zusammenarbeit mit den Schulen nicht. Ende letzten Jahres sorgte ein anonymer Leserbrief einer JeKi-Lehrerin, den die Neue Musikzeitzung (nmz) nach einiger Überlegung doch veröffentlichte, für große Diskussionen. Deutlich wurde hier nicht nur, dass die Bezahlung der Lehrkräfte nicht annähernd der erbrachten Leistung entspricht, sondern dass vor Allem JeKi in den Schulen nicht den Stellenwert erhält, den es verdient. Geld kann beim ersten Punkt sicherlich helfen, beim zweiten ist generelles Umdenken gefordert. Musik kein Nebenfach, das bei Bedarf einfach gestrichen werden kann, wie es an vielen Grundschulen praktiziert wird. Musische Bildung muss den selben Stellenwert wie mathematische, sprachliche oder naturwissenschaftliche Bildung erhalten.
55,4 Mio Euro bis 2011
Keinem Kind würde das Recht auf Rechnen oder Erdkunde abgesprochen werden, gleichgültig, mit wieviel Freude oder auch Talent es dabei sein mag. JeKi bietet eine Grundmusikalisierung und fragt dabei (auch) nicht nach Begabung. JeKi schreibt es sich auch nicht auf die Fahnen, mindestens einen kleinen Mozart pro Jahrgang hervorzubringen, sondern bietet allen Kindern die Chance, selbst zu musizieren und dadurch Musik nachhaltig zu erleben. Dass nach der vierten Klasse längst nicht für alle Kinder, die weiterhin ihr Instrument spielen wollen, ausreichend Plätze an den Musikschulen vorhanden sind, zeigt das Dilemma, in welches so große und engagierte Projekte wie JeKi leicht geraten können. Aber JeKi ist noch jung. Dass diese Initiative inzwischen auf mehrere Bundesländer ausgeweitet wurde, zeigt, dass der eingeschlagene Weg zwar nicht ohne Hindernisse ist, aber in die richtige Richtung führt.
JeKi in Zahlen und Fakten
Jedem Kind ein Instrument startete bereits 2003 als Kooperation der städtischen Musikschule, der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e.V. und der Grundschulen im Ruhrgebiet und wurde dann zum Jahr der Kulturhauptstadt Essen 2010 ordentlich herausgeputzt. Weitere Bundesländer ziehen bereits nach. 43.300 Kinder an 522 Grundschulen sind seit dem Schuljahr 2009/2010 beim Modellprogramm im Ruhrgebiet dabei; darunter sind 27.700 Erstklässler. Die Umsetzung des Programms kostet bis zum Schuljahr 2010/2011 rund 55,4 Millionen Euro. 10 Mio Euro kommen dabei von der Kulturstiftung des Bundes, 15,40 Mio vom Land Nordrhein-Westfalen und 0.63 Mio von der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e.V. Die Kommunen beteiligen sich mit einem Eigenanteil von 2,5 Millionen Euro. Die Teilnahmegelder betragen voraussichtlich 14,35 Millionen Euro.Für die Anschaffung der Instrumente und den Stipendienfonds müssen 12,5 Millionen Euro an Spenden eingeworben werden.